Der nächste Staat – Rethinking State
Wollen wir Vollbeschäftigung oder Vollautomation? Brauchen wir ein Bedingungsloses Grundeinkommen? Wollen wir mehr oder weniger Staat? In der zweitägigen Veranstaltung haben Bürgerinnen und Bürger in Workshops neue Formen von Staat und Arbeit entworfen.
Die Kluft zwischen einer globalen Klasse von Global Citizens und einer Gesellschaft, die mit schwindenden Gestaltungsmöglichkeiten zunehmend unzufrieden ist, wird immer größer. Wie können sich Demokratie, Rechtssysteme und unsere Arbeits- und Lebensweisen an die digitale Revolution anpassen? Welche Rolle übernimmt ein zukünftiger Staat zwischen dem Schutz von Eigentum und der Sorge für das Gemeinwohl? Ist er Treuhänder eines Bedingungslosen Grundeinkommens? Ist er durch die Macht der Transnationals bereits dabei, in seinen Grundfesten zu erodieren? Wird er langfristig abgeschafft und von selbstgesteuerten Einheiten freier Individuen ersetzt werden?
Diese Fragen standen im Fokus des zweitägigen Symposiums "Der nächste Staat – Rethinking State", an dem Interessierte aktiv teilnehmen konnten. Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Kultur, Aktivismus und Wissenschaft haben sie in verschiedenen Workshops neue Modelle von Arbeit und Lohn, Governance und Partizipation erarbeitet und auf Umsetzbarkeit überprüft. Die Teilnahme am Symposium war kostenlos und erforderte eine Präsenz an beiden Tagen sowie eine Anmeldung.
Samstag, 21.4.2018
17.00 – 21.30 Uhr, Kronprinzenpalais Berlin
&
Sonntag, 22.4.2018
10.00 – 20.00 Uhr, Kronprinzenpalais Berlin
Fotos: David von Becker
SAMSTAG, 21. April 2018
"War was?"
PLENUM FINANZKRISE
Das Symposium startete mit einem Rückblick. Rund zehn eingeladene Expertinnen und Experten des Alltags kamen zusammen, um die Geschichte der Finanz- und Eurokrise von 2007 bis heute multi-perspektivisch zu rekonstruieren. Gemeinsam analysierten und bewerteten sie die Ereigniskette, die von der "Housing Bubble" zur quasi Verstaatlichung zahlreicher Banken weltweit geführt hat. Gibt es Gewinner und Verlierer? Wie auch schon beim Labor, kam erneut der digitale Szenarientisch zum Einsatz. Daran nahmen Platz:
Für die Schweiz: Dr. Jürg Müller. Für die Rolle der Medien in der Finanz- und Eurokrise: Harald Schumann. Für die Banken: Otto Steinmetz . Für UK: Dr. Cho-Oon Khong. Für Griechenland: Prof. Evangelos Liaras. Für Portugal: José Soeiro. Für die USA: Prof. Pavlina R. Tcherneva. Für Island: Prof. Eyvindur Gunnarson. Für Europarecht: Prof. Dr. Isabel Feichtner. Geschichte der Arbeit: Cornelia Daheim . Für die deutsche Rechtssprechung: Prof. Dr. Kai von Lewinski. Für Nachhaltigkeit: Dr. Ariella Helfgott. Für die Literatur: Prof. Dr. Joseph Vogl.
Moderiert wurde der Abend von: Ulrike Hermann & Volker Heise. Der Abend wurde musikalisch protokolliert von: Sven Kacirek & Daniel Muhuni (EPA).
"Und seitdem?"
STAMMTISCH FINANZKRISE
Die Auswirkungen der letzten Krise sind noch drastisch spürbar: In Griechenland und Portugal spricht man von der Verlorenen Generation, in den USA leben Rentner in Wohnmobilen oder auf der Straße und im globalen Süden steigen die Bodenpreise exponentiell. In Island sitzen einige Banker im Gefängnis und in Deutschland ist man zur Tagesordnung zurückgekehrt. Die EZB flutet den Markt weiter mit Milliarden. Boden- und Mietpreise explodieren. Wissen wir, was aus den Bankbürgschaften der Staaten geworden ist und was Quantitive Easing für uns bedeutet?
In kleinen Gruppen diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, welche Auswirkungen der Finanzkrise bis heute spürbar sind. Zur Vorbereitung und Gesprächsgrundlage hatten wir ihnen einige Tage vor dem Symposium verschiedene Zeitungsartikel zum Thema Finanzkrise per Email zugesendet. Man konnte aber auch einfach nur über Geld reden, den eigenen Kontostand oder den Kapitalismus. Jeder Tisch sollte schließlich einen Satz formulieren, diesen notieren und damit in den Plenumssaal zurückkehren. Was dann folgte und niemand der Teilnehmer*innen zuvor ahnte, war eine musikalische Chor-Installation, geleitet von Sven Kacirek und Daniel Muhuni. Die Teilnehmer*innen sangen, proklamierten, flüsterten, riefen ihre am Stammtisch formulierten Sätze. Dieser Teil des Symposiums ist nicht dokumentiert.
"Und das nächste Mal?"
PLENUM CASE-STUDIES
Die weltgrößten Investmentbanken liegen mit ihren Umsätzen bereits weit über dem der Krisenjahre 2007/2008. Es gilt nur als eine Frage der Zeit, wann die nächste Blase platzt – und wer zahlt dann die Rechnung? In der letzten Gesprächsrunde ging es um die Möglichkeiten von Intervention: Bauen wir dabei auf den starken Staat? Oder ist die gegenseitige Durchdringung von Staat und Finanzmärkten so fortgeschritten, dass Regulierungsimpulse von ganz anderen Kräften um- und durchgesetzt werden müssen? Welche könnten das sein?
Wahl
Während des ersten Symposiumtages trafen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Wahl für die Workshops am Sonntag.
Sonntag, 22.4.2018
10.00 – 19.30 Uhr, Kronprinzenpalais
Der Tag war bestimmt durch Partizipation und Produktion. Reformmodelle wie das Grundeinkommen oder neue Ideen von Arbeit und Beschäftigung wurden in der ersten von zwei 90-minütigen Workshop-Session entwickelt. In der zweiten Session am Nachmittag ging es schließlich um neue Modelle für zukünftige Regierungsformen. Strategien für eine Umsetzung und Implementierung wurden angedacht. Von Reform bis Revolution war alles erlaubt. Jeder Workshop war mit zwischen 10 und 15 Teilnehmenden besetzt. Nach den Workshops gab es ein Plenum, in dem die Ergebnisse zusammengetragen wurden.
WORKSHOPSESSION I
"Arbeit oder Einkommen? Freiheit oder Abhängigkeit?"
Vor nur zehn Jahren war das Bedingungslose Grundeinkommen eine Utopie, die von einigen wenigen Exzentrikern vertreten wurde. Heute reden der Telekom-Chef, die SPD und Silicon Valley darüber, als wäre die Einführung nur eine Frage der Zeit. Die Rede ist von "Surplus Societies" und Arbeitsplatzverlusten von bis zu 50 % in den kommenden 20 Jahren. Die Motive für diese Zukunftsszenarien und die verschiedenen Modelle in Umsetzung und Finanzierung sind sehr unterschiedlich und direkt verknüpft mit der Vorstellung von der zukünftigen Rolle des Staates. Wird das Bedingungslose Grundeinkommen gezahlt, damit der Kapitalismus 'ungestört' weitergeht, oder damit wir uns als Zivilgesellschaft weiter entwickeln können? Und wer zahlt? Der Staat (also wir), die Roboter (also die Produzenten und Investoren), "Micro-Financing" über Beiträge der großen Datensammler? Und: leben wir dann endlich selbstbestimmt, wie wir es uns schon immer gewünscht haben? Am Sonntagvormittag entwickeln die Teilnehmenden in unterschiedlichen Workshops verschiedene Arbeits- und Lohnmodelle für die Zukunft.
PLENUM
Auswertung der Workshopsession I
Gemeinsames Plenum. Alle Teilnehmenden des Symposiums kommen zusammen. Im Zentrum ein großer Tisch. Daran nehmen die WorkshopleiterInnen und je zwei VertreterInnen aus den Workshops Platz. Jede Gruppe hat ca. 10 Minuten Zeit, ihre Ergebnisse zu präsentieren. Ziel ist, ergänzend, nicht gegeneinander zu diskutieren. Es sollen nicht Meinungen ausgestellt, sondern Inhalte produziert werden.
Moderation: Ulrike Hermann & Dr. Thomas R. Henschel
WORKSHOPSESSION II
"Der nächste Staat?"
Welche Rolle wollen wir dem zukünftigen Staat einräumen? Die Lager sind gespalten und die Positionen werden zunehmend radikaler, unversöhnlicher. Die einen wollen den Staat, der das Gemeinwohl schützt und die notwendigen Transformationsprozesse gestaltet. Für die anderen soll der Staat das Eigentum schützen, während Zukunft von visionären Konzernen und Individuen gestaltet wird, die die Zeichen der Zeit schneller erkennen und flexibler auf die digitale Revolution reagieren können. Der Staat als Corporation, in dem nur die Shareholder Bürgerrechte erhalten. Kann die Konstruktion des fürsorgenden Nationalstaates das Internet, Blockchain und die globale Ökonomie überstehen? Welche Alternativen haben wir und welche Strategien gibt es, Teilhabe zu organisieren?
PLENUM II
Auswertung Workshopsession II
17.45 – 19.15 Uhr
Gemeinsames Plenum aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Vorstellung der Workshopergebnisse.
Moderation: Ulrike Hermann & Dr. Thomas R. Henschel
FAZIT
Wie bereits zum Labor hatten wir auch zum Symposium den Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaftler Joseph Vogl eingeladen. Er begleitete den Workshoptag als stiller Beobachter und zog schließlich, am Ende der Veranstaltung, sein Fazit.
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